Im Februar 2021 erreichte mich die Stellungnahme des Vereins Fundus Basel zur neuen Vision für die Alterspolitik „Gut und gemeinsam älter werden in Basel-Stadt“. Verein Fundus? Was ist denn das für eine Organisation? Meine Neugierde war geweckt, und ich suchte den Kontakt zu dieser Anlaufstelle. An einem kalten Dienstag-Vormittag im März fuhr ich deshalb an die Hammerstrasse 160, um Näheres über Fundus zu erfahren. Begrüsst wurde ich auf das Freundlichste von Nicole Tschäppät, der Geschäftsleiterin.
Die Hammerstrasse 160 zu finden, ist zwar nicht schwer, jedoch muss man sehr aufmerksam sein, um den Innenhof mit den verschiedensten Ateliers nicht zu verpassen. Fundus Basel ist dort seit Kurzem in einem Atelier eingemietet und hat also eine offizielle Adresse. Ein grosser Raum mit zwei Computern, einem gemütlichen Tisch mit Stühlen sowie die üblichen Büroschränken bestücken den Raum. Auffällig: ein Veloanhänger sowie ein grosser Ständer mit den verschiedensten Broschüren und Flyern von vielfältigen Organisationen und ihren Angeboten. Augenfällig: hier ist eine Netzwerkerin am Tun!
Nicole Tschäppät erzählt, dass sie ihre beruflichen Sporen in der Quartierarbeit abverdient hat, bedingt durch ihre Ausbildung als soziokulturelle Animatorin. Im Jahr 2017 leitete sie ein Quartierprojekt im Hirzbrunnen, als ihr Fachpersonen aus drei Organisation die Frage stellten, wie denn die Situation von Seniorinnen und Senioren im 4. Lebensalter im Schoren aussehe. Aber wie erreicht man Seniorinnen und Senioren? Wie kann man Seniorinnen und Senioren aus der Einsamkeit herausholen? Was für Bedürfnisse bestehen überhaupt?
Auf meine Frage hin erläuterte mir Frau Tschäppät, sie habe deshalb viele Organisationen zu einem Netzwerktreffen eingeladen, an welchem besprochen wurde, wie schwer erreichbare Senioren und Seniorinnen besser erreicht werden können. Als erste Massnahme lancierte Nicole Tschäppät mit dem Netzwerk im 2018 die Veranstaltungsreihe „Selbständig im Alter“, welche verschiedene Altersfragen thematisiert und im Quartier stattfindet. Jedoch merkte sie, dass es ältere Menschen gibt, die zwar gerne an eine Veranstaltung kämen, aber körperlich zu schwach, zu müde, zu betagt seien, den Weg unter die Füsse zu nehmen. Kurz und gut: für die zweite Veranstaltungsreihe im 2019 organisierte sie einen Abholdienst. Und die Veranstaltungsreihe war ein Erfolg.
2019 formierte sich der Verein Fundus Basel, erzählt mir Nicole Tschäppät, als konkrete Folge ihrer Altersarbeit im Projekt, den Rückmeldung der Organisationen und Beobachtungen, Umfragen und Analysen. Sie selber ist zu 60% als Geschäftsführerin angestellt. Vorstand und Helfende arbeiten ehrenamtlich. Frau Tschäppät macht zweimal zwei Stunden pro Woche Basisarbeit. Konkret heisst das, sie steht mit ihrem Veloanhänger, den Stühlen, einem Klapptisch und dem Flyerständer immer an den selben neuralgischen Orten in der Nähe zweier Einkaufszentren und sagt den Vorbeigehenden einfach nur „grüezi“ und signalisiert Gesprächsbereitschaft. Sie erwirbt sich das Vertrauen der Menschen, die teilweise auch neugierig fragen, was sie da mache. So ergeben sich Gespräche und Nicole Tschäppät kann erkennen, wo es Probleme gibt. Sie triagiert zum Beispiel bei finanziellen Problemen, sozialer Isolation oder gesundheitlichen Themen und sie vermittelt den Hilfesuchenden Begleitung: für den Coiffeurbesuch, für den Gang zum Amt, zum Einkaufen oder schlicht nur für einen Spaziergang.
Und wie ist jetzt das mit den Freiwilligen? frage ich nach.
Rund 15 Freiwillige haben schon irgendeine Aufgabe übernommen. Manche Aufgaben sind nach einem Termin abgeschlossen, andere werden zu Tandems, die über lange Zeit bestehen bleiben. Wichtig ist dabei, die Hilfesuchende und den Freiwilligen gut zu kennen, um sie sorgfältig kombinieren zu können. Frau Tschäppät erzählt begeistert von der 20jährigen Frau, welche grosse Freude hat, eine 93jährige zu betreuen. Die 20jährige hat nun eine „Grossmutter“, die 93jährige freut sich über eine „Enkelin“. Diese beiden Damen funktionieren als Tandem total autonom. Dieses Arrangement begann, als während des ersten Lockdowns die junge Frau für die alte Dame einkaufen ging.
Nicole Tschäppät verweist auch auf ein Tandem, welches aus einem 80jährigen Witwer und einer 91jährigen Dame besteht. Er ist fit und begleitet sie fürsorglich jede Woche zu verschiedenen Terminen.
Frau Tschäppät betont, dass Nachhaltigkeit wichtig ist, d.h. ein solches Paar sollte längere Zeit miteinander kutschieren können, damit auch das Vertrauen wächst. Die Chemie zwischen den beiden Personen muss absolut stimmen.
Der Wirkungskreis von Fundus Basel beschränkt sich ja zur Zeit auf das Hirzbrunnenquartier, welches von den Nationalitäten her ein gemischter Stadtteil ist. Wie ist es mit den Menschen mit Migrationshintergrund?
Drei Stunden pro Woche wird Frau Tschäppät von einer türkischen Dolmetscherin begleitet. Es ist sehr hilfreich, eine Person zur Seite zu haben, welche Kultur und Sprache türkischer Bewohnerinnen und Bewohner kennt. Mobile Altersarbeit heisst auch, in einem Strassenzug überall dort zu klingeln, wo ein türkischer Namen angeschrieben steht. Dies ist zwar Knochenarbeit, jedoch unglaublich bereichernd. Sehr viele sehr gute Gespräche entstehen daraus und manche Seniorin oder mancher Senior erkennt, dass sie oder er niederschwellige Hilfe suchen kann und darf.
Geht es um weitere Sprachen oder Nationalitäten, so sind dies bei den Seniorinnen und Senioren im Hirzbrunnen nach den Erfahrungen von Nicole Tschäppät vor allem Seniorinnen und Senioren mit Spanischem oder Italienischem Hintergrund. Da reichen Nicole Tschäppäts italienische Kenntnisse für die Verständigung. Und für eine ausführlichere Betreuung ist sie so gut vernetzt, dass sie die Hilfesuchenden auf direktestem Weg z.B. zur GGG Migration, zum Roten Kreuz beider Basel oder zu einer anderen Institution weiter verweisen kann.
Auf Seniors@Work angesprochen, erläutert Frau Tschäppät, dass „ihre“ Seniorinnen und Senioren wohl keine Energie (mehr) hätten und nicht (mehr) so verlässlich seien, einen bezahlten Job anzunehmen. Ihre Klientschaft ist schon in einem höheren Alter. Allerdings wäre es natürlich toll, wenn Fundus Basel freiwillige Helfende finden könnte, eventuell sogar via Seniors@Work. Leider kann die Klientschaft von Fundus Basel oft keine Honorare für Begleitungen zahlen. Aber wie so oft in der Freiwilligenarbeit: man verzichtet auf Cash, bekommt aber unbezahlbare soziale Kontakte geschenkt, lernt tolle Menschen kennen und erlebt Projekte und Lebenssituationen, die man sonst nie erfahren hätte. Freiwilligenarbeit ist nie eine Einbahnstrasse.
Ganz zum Schluss sinniert Nicole Tschäppät darüber, dass sich der Sozialraum eines Kindes nach und nach erweitert, jedoch im Alter das Fenster nach und nach wieder schliesst. In unserer Stadt gäbe es die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA), die genau das gleiche wie Fundus Basel macht, halt einfach für die Jungen. Für die ältere Generation existiere nichts. Deshalb hofft sie – und ich mit ihr – dass Fundus Basel auf finanziell sichere Beine gestellt werden kann (noch ist es sehr unsicher!). Und dass der Perimeter ihres Wirkens auch auf andere Quartiere ausgeweitet wird.
Es ist Zeit, sich zu verabschieden. Ich bin beeindruckt über das Engagement und das Feuer von Frau Tschäppät. Und ich persönlich bin sowieso der Meinung, dass solche bottom-up-Projekte sehr viel nachhaltiger sind, als top-down angeordnete Massnahmen.
Herzlichen Dank dem Verein Fundus Basel und Nicole Tschäppät alles Gute!
Beatrice Isler