Wie haben Sie es mit dem Bügeln, liebe Leserin, lieber Leser? Ich kann nur sagen, es lohnt sich: in der ruhigen Wohnung dieser Tätigkeit nachzugehen, bedeutet für mich, dass ich meine Gedanken einfach so schweifen lassen kann.

Heute hat sich bei mir das Wort „Verunsicherung“ in meinem Kopf festgesetzt. Warum?

Als erstes las ich frühmorgens in der Zeitung (BaZ vom 25.5.2020), dass überraschend viel Menschen ab 55+ ihren Job verlieren. Im Artikel steht: „Eigentlich müssten die 55- bis 64-jährigen das geringste Arbeitslosenrisiko aufweisen, da sie am seltesten die Stelle wechseln.“. Weiter steht im Text, oft seien es Menschen mit einer schwierigen Erwerbsbiografie. „Oft“ heisst aber, dass es auch andere trifft. Schaut man sich dann die Branchen an, verwundert es zur Zeit nicht, dass die Beherbergungsbranche die höchste Jobverlust-Prozentzahl ausweist. Aber warum ist die Branche „Gesundheitswesen“ auch genannt? Alle reden doch von Personalmangel im Gesundheitswesen! Wenn ich daran denke, dass das Risiko ausgesteuert zu werden für Menschen in höherem Alter bei einem Arbeitsverlust signifikant steigt, dann macht sich bei mir schon alleine beim darüber nachdenken eine Verunsicherung breit. Und wie gross wird diese Verunsicherung wohl bei diesen Menschen erst sein!

Als zweites begegnete ich heute über Mittag meiner kleinen Enkelin. Sie ist sechs Jahre alt. Nach diesen langen Corona-Wochen der Abstinenz reagiert sie nicht mehr wie früher auf mich. Früher rannte sie mir um den Hals. Möglichst mit Anlauf. Heute steht sie da, schaut zu mir auf, wackelt etwas verlegen hin und her – und strahlt eine totale Verunsicherung aus. Seit ich sie damals ganz zum Anfang vom Lockdown in ihrem Anlauf, mich voller Elan zu umarmen, stoppte, ist die Welt für mich und wohl auch für sie nicht mehr in Ordnung. Und  jetzt getraut sie sich nicht mehr richtig, mich zu umarmen. Und letztlich bin auch ich verunsichert im Umgang mit ihr. Zwingen kommt nicht in Frage. Was und wieviel in Sachen Körperkontakt dürfen wir überhaupt? Unser Hüteauftrag ist bis nach den Sommerferien gecanclet. Wir müssen also noch länger warten, bis wir unsere Beziehung wieder „normalisieren“ können. Und es zeigt sich, dass Brieflein schreiben, Zeichnungen austauschen oder Facetime-Geplauder die mangelnde physische Nähe nie und nimmer ausgleicht.

Als drittes hörte ich Radio. Nachrichten. Beiträge aus aller Welt. Wenn man so zuhört und alles über Krieg, Macht, Gier, Geld, Korruption, Armut hört, wird klar, dass die ganze Welt komplett verunsichert sein muss. Die Wirtschaft darbt, die Menschen verlieren Jobs, die Armen werden noch ärmer, die Reichen… aber lassen wir das. Und obwohl es uns in der Schweiz vergleichsweise gut geht, spürt man die Verunsicherung überall. Und dann gibt es diejenigen, die sich in diesen Zeiten Beiträge erschleichen oder Vorteilen aus der Situation ziehen, sei es mit Kurzarbeit und Entlassungen, Frühpensionierungen, obwohl es vielleicht nicht oder noch nicht nötig wäre.

In Zeiten, in welchen sich selbst auf dem Trottoir die Menschen ausweichen, nur noch schüchtern lächeln und bei einem Gespräch sofort auf Distanz gehen, bin ich froh um sichere Werte, wie z.B. Seniors@Work. Ich hoffe für Sie alle, dass Sie hier die geeignete Stelle, die engagierte Mitarbeiterin oder den professionellen Angestellten finden und damit ihrer ganz persönlichen Verunsicherung die Türe weisen zu können.

Toitoitoi, ich drücke die Daumen!

Beatrice Isler

2 Comments

  1. Peter

    Liebe Beatrice Isler, Ihre Erfahrung mit der Enkelin ist schmerzhaft. Weil ich keine Enkelkinder habe, werde ich diese Erfahrung nicht machen. Als Berater für Qualitätsmanagement (ISO, eduQua, SODK, IN-Qualis usw.) frage ich mich, warum Betriebe und Institutionen nicht gerade jetzt ihre Arbeitsabläufe überprüfen und der neuen Situation anpassen. Leider ist es eine Binsenwahrheit, dass sich Menschen in einer Krise erstmal auf alte Verhaltensmusster zurückziehen, auch wenn sich diese nicht bewährt haben oder gar schädlich sind. Gesellschaftlich heisst das wohl auch, dass Fehlentwicklungen jetzt besonders deutlich sichtbar werden und menschliche Verhaltensweisen wie Gier, Machtgehabe und Ausbeutung zu Tage gefördert werden. Ich bin nicht bekannt als Pessimist. Trotzdem glaube ich nicht, dass Individuen, Gesellschaften und demzufolge auch keine Betriebe diese Zeit für ein grundlegendes Umdenken nutzen werden. Aber – die Hoffnung stirbt zuletzt. Sie sagen es – Daumen drücken! Ausser die Enkelin kommt plötzlich doch noch angerannt. Dann Daumen hoch und Arme weit auseinander.
    Peter Woodtli

    1. Isler

      Lieber Peter Woodtli, danke für Ihre Ausführungen, denen ich leider nur zustimmen kann. Wie gerne würde ich nun optimistisch und euphorisch abwinken und Ihnen Unrecht geben. Und trotzdem: Es ist dem Mensch eigentlich gegeben, nicht aufzugeben, sondern weiterzumachen und an die kommenden Generationen zu glauben.
      Und aber sicher: wenn das Mädelchen wieder mal angerannt kommt, dann gibt es einen riesigen Knuddel!

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